Weinend sitzt sie vor mir: „Er hat schon wieder Druck ausgeübt: ‚Bleib nicht ständig im Bett, sondern bewege dich‘. Wie gerne würde ich laufen, aber ich kann nicht. Und dann verteidige ich mich nur. Ich will ihn nicht mehr sehen.“ 
So in Not ist sie, und gleichzeitig wird deutlich, wie sehr sie an ihrem Bruder hängt. 

Was steckt wohl dahinter? Was bewegt den Bruder, seiner todkranken Schwester diese Dinge zu sagen? Weiß er, wie es ihr damit geht? Ich spüre den Impuls, ihm ins Gewissen zu reden, bremse mich aber und höre ihm nun zu. Da bricht auch sein ganzer Frust heraus: „Ihr ganzes Leben hat sie sich bedienen lassen, und immer bin ich gerannt. Ich habe keine Kraft mehr.“ Auch seine Perspektive ist nachvollziehbar.

So viel Unausgesprochenes! Und am Ende eines langen gemeinsamen Weges steht ihre Verbindung auf dem Spiel.

Diese zu erhalten, wird nur gehen, wenn ich keine Partei ergreife, sondern versuche, jeden zu verstehen. Nur so lässt sich der Bogen zwischen ihnen spannen.

Vielleicht können sie dann den Blick wieder für den anderen weiten und sich aufeinander einlassen. Um davon zu sprechen, was sie wirklich bewegt.