„Wenn die Sprache sich verliert“ Ein Vortrag über Kommunikation ohne Worte

Der deutsche Hospiztag fiel in diesem Jahr auf den 14. Oktober. Rund um diesen Tag veranstalten Hospize und Hospizvereine in ganz Deutschland Lesungen, Vorträge und Informationsabende, um die Hospizidee ins Gespräch zu bringen. Das diesjährige Motto des Welthospiztages lautete: „Leben! Bis zum Schluss.“ In Anbetracht der aktuellen Diskussionen um die Suizidbeihilfe sollen die Möglichkeiten aufgezeigt werden, die ein würdiges Lebensende ermöglichen, das keiner Beschleunigung des Sterbens bedarf. Eines der wichtigsten Themen, neben Schmerzen und Ernährung, ist die Kommunikation. Der Austausch mit unseren Mitmenschen macht uns zu individuellen Personen, oder wie der jüdische Philosoph Martin Buber sagte: „Der Mensch wird am Du zum Ich.“ 

Mit Bezug auf Buber entwickelte unsere diesjährige Referentin Dr. Astrid Steinmetz ihr Konzept Kommunikation ohne Worte – KoW®. Dieses stellte sie zum deutschen Hospiztag in Halle vor. Das Hospiz am St. Elisabeth-Krankenhaus hatte, wie jedes Jahr, zu einer Veranstaltung anlässlich des deutschen Hospiztages eingeladen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses, Freunde des Hospizes und Unterstützerinnen, sowie Ehrenamtliche konnten im Schwesternsaal im ehemaligen Ordenshaus der Heiligen-Elisabeth einen Einblick in die Arbeit von Frau Dr. Steinmetz bekommen. 

Frau Dr. Steinmetz hat eine Praxis in Potsdam, wirkt langjährig in der musik- und psychotherapeutischen Arbeit mit Schwerstkranken, Sterbenden und psychisch Kranken und unterstützt Angehörige im Palliativbereich. Zudem arbeitet Sie als Trainerin und im wissenschaftlichen Bereich. Seit 2012 hat sie zahlreiche Beiträge zu nonverbaler Kommunikation, Musik in der palliativen Begleitung und Musiktherapie in palliativen Lehrbüchern und unterschiedlichen Fachzeitschriften veröffentlicht. Ihr Buch: Nonverbale Interaktion mit demenzkranken und palliativen Patienten. Kommunikation ohne Worte- KoW® ist 2016 im Springer Verlag erschienen.

Der Vortrag begann mit einem Blick auf die Ursachen von Sprachlosigkeit. Menschen mit Beeinträchtigungen, Menschen am Lebensende, die durch Operationen, Medikamente oder körperliche Schwäche nicht mehr sprechen können, wollen sich dennoch ausdrücken. Der Ausdruck des Menschen ermöglicht ihm, ja und nein zu sagen, zuzustimmen und abzulehnen und vor allem in den Austausch mit seinen Mitmenschen zu kommen. Wenn die verbalen Möglichkeiten nicht mehr vorhanden sind, kann es passieren, dass der Patient und seine wirklichen Wünsche aus dem Blickfeld geraten. Was dann passiert, kennen wir: Andere entscheiden, was für einen Menschen gut ist. Doch, und darauf weist Dr. Steinmetz hin, der Mensch hat bis zum Schluss seine Leiblichkeit, durch die er kommuniziert. „Die leibliche Kommunikation ist im Menschen angelegt“, stellte sie fest und beschrieb das Erlernen nonverbaler Kommunikation bei Säuglingen. Und weiter: „Schon eine kleine Geste ist ein Dialog.“

Mit Bezug auf Martin Buber und seine Idee vom Dialogischen Prinzip machte Frau Dr. Steinmetz die Anwesenden mit den verschiedenen „nonverbalen Kommunikationsfertigkeiten“ vertraut. Grundlage für den Einsatz dieser ist, dass die Kommunikation auf Augenhöhe stattfindet. Der pflegende oder begleitende Mensch geht eine Beziehung mit dem Patienten ein, lässt sich auf diesen ein und nimmt ihn als erwachsenen Menschen war. Das kann nur geschehen, wenn man sich auf die Begegnung einlässt, wenn Vorurteile und der eigene Stress außen vor bleiben, wenn man zuhört, hinschaut, wahrnimmt und reagiert. Eben dann, wenn ein Dialog entsteht. Am Beispiel einer Frau mit einem Hirntumor, erklärte Frau Dr. Steinmetz, wie Kommunikation entstehen kann, ohne dass es Worte gibt. Die beschriebene Patientin, konnte nicht mehr sprechen und starrte abwesend in die Luft. Nur ihre Finger bewegten sich unablässig auf der Bettdecke. Frau Steinmetz legte ihre Hand an die Finger, sie berührten sich und traten in einen Austausch, dessen Intensität immer die Patientin bestimmte. Nach einigen Minuten des gemeinsamen Bewegens, sah die Patientin Frau Dr. Steinmetz an und nahm sie wahr. Ein Dialog war entstanden. 

Das Beispiel verdeutlicht, dass Kommunikation nicht nur der Austausch von Informationen ist, sondern vor allem das Zustandekommen eines gemeinsamen Raumes, einer Aufeinander-Bezogenheit und damit eben auch des Gefühls, existent zu sein. Wird die Kommunikation abgeschnitten, weil keine Sprache mehr da und kein Mut zu neuen Wegen vorhanden ist, vereinsamen Menschen, selbst wenn sie von anderen umgeben sind. Jeder Mensch kann sich mitteilen, man muss es nur lesen können und wollen. Oder wie Frau Steinmetz sagte: „Ich erlebe, wenn wir uns so auf Menschen einlassen können, wie schön Menschen sein können.“ 

Der Abend zur nonverbalen Kommunikation beeindruckte die Ehrenamtlichen des ambulanten Hospizdienstes und gab ihnen Möglichkeiten an die Hand, um Kommunikation aufzubauen, wo sie fast unmöglich scheint. Auch für die Fachkräfte war der Vortrag von großem Wert, da er den Fokus wieder auf das Eigentliche des Berufes legte: „Pflege ist Beziehungskunst.“ 

Mehr zum Konzept Kommunikation ohne Worte – KoW® ist auf der Webseite von Frau Dr. Astrid Steinmetz zu finden.