Schmerzhafte Tage liegen hinter ihr, angefüllt mit Sorgen. Als dann endlich die Untersuchungsergebnisse da sind, macht sich Erleichterung breit: das Befürchtete ist nicht eingetreten. 
Aber die eigene Verletzlichkeit und Sterblichkeit sind ihr ins Bewusstsein gerückt. Und schmerzen. Am meisten weh tut ihr, die liebsten Menschen irgendwann zurücklassen zu müssen. Während wir davon sprechen, laufen ihr die Tränen über das Gesicht: Es ist der Schmerz des Abschiednehmens. 

Da kommt mir ein Satz in den Sinn: ‚Wer trauert, hat geliebt.‘ Und so beginnen wir nun, auch diese Seite der Medaille zu betrachten. „Was verändert sich dadurch, dass du weißt, dass die Zeit mit deinen Lieben begrenzt ist“, frage ich sie. Und sie lässt sich darauf ein, sucht nach Antworten in sich und antworten dann tastend: „Alles wird so viel wertvoller, selbst ein lustiges Geplänkel oder auch nur ein kurzes Winken sind etwas Besonderes.“ 

Versonnen schaut sie mich an. Aus ihren Augen strahlt jetzt tiefe Freude.

Wie dicht Schmerz und Freude doch nebeneinander liegen! Wie allein der Blickwinkel die Türen zum einen oder anderen öffnet. Beides ist wahr. 

Und in der gleichzeitigen Erfahrung dieser Polaritäten liegt höchste Lebendigkeit.