🗣 Es ruft aus seinem Zimmer: „Hallo“, manchmal auch „Mama“.

❓ Wie können wir das verstehen?
Wie können wir damit umgehen?

Zum Hintergrund:

Er ist bettlägerig, über 80 Jahre alt und erkrankt an einem Tumor in der Niere.

So lerne ich ihn kennen:
Ich höre sein Rufen, betrete das Zimmer und beantworte sein „Hallo“ dabei mit meinem. Da wird er still. Doch sein Blick bleibt starr. Also stelle ich mich ans Fußende. Und kurz treffen sich unsere Augen. Dort stehe ich ruhig und sage dann: „Ich bin da.“
Er nimmt mich wahr. Kein Rufen mehr, kein Wunsch.

„Brauchen Sie etwas?“, frage ich ihn. Keine Antwort. Ich bleibe stehen.

Eine Minute später sagt er: „Ich fühle mich allein. Das bedrückt mich.“ Ein kleiner Einblick in sein Innenleben.

Also suche ich nach Wegen, ihm meine Nähe intensiv spürbar zu machen:
Eine Erfahrung schenken. Nicht nur Erklärungen geben.

➡️ Das Fazit der Fallbesprechung im Team:

Bevor wir Fragen stellen, kommen wir erst einmal bei ihm an.

Wenn klar ist, dass nichts zu tun ist, also kein körperliches Bedürfnis zu erfüllen, dann lassen wir ihn erleben, dass wir da sind.

Unserer Erfahrungen mit ihm:

  • Er mag es, wenn man eine Hand an seiner Schulter ruhen lässt
  • Es tut ihm gut, wenn wir ein paar tiefe Atemzüge gemeinsam atmen
  • Mit ruhiger Stimme zu erzählen, was er vor dem Fenster sieht
  • und dann zu sagen: „Ich bin in der Nähe“
  • Dann lässt seine Angst nach, und er antwortet: „Du bist da.“
  • Wenn er dies spürt, muss er eine lange Zeit nicht mehr rufen.

📔Die Fachliteratur dazu:

Das Entschlüsseln der Botschaft, die mit dem Rufen verbunden ist, bedarf der Interpretation:

Geht es um Vereinsamung, um Schmerz, um Reizüberflutung, ist es zu dunkel oder gar zu hell? Das ist alles andere als einfach. Es gibt kein Patentrezept in einer solchen Situation.

Zahlen:*

  • 40% der über 65-jährigen Patienten im Krankenhaus leiden unter kognitiven Beeinträchtigungen.
  • Von diesen entwickeln über 75% nichtkognitve Störungen, zu denen auch das Rufen zählt.
  •  2/3 der Ärzte fühlen sich im Umgang damit überfordert.
  • Über 40% der Pflegekräfte erleben sich als gestresst dadurch.
  • Patienten mit kognitiven Einschränkungen leiden unter den Krankenhausabläufen.

Status Quo:

Zielgerichtete Schulungen für ärztliches und Pflegepersonal gibt es viel zu wenig (unter 16 % der hilfreichen Maßnahmen).*

Mit #KommunikationOhneWorte trainieren wir Gesundheitsberufe darin, den stimmlichen und körperlichen Ausdruck ihrer Patienten zu verstehen und damit stresslösend umzugehen.

*Robert Bosch Stiftung (Hg.) 2019. Bickel H., Schäufele M., Hendlmeier I., Heßler-Kaufmann J.B., Demenz im Allgemeinkrankenhaus. Ergebnisse einer epidemiologischen Feldstudie. General Hospitalstudy (GHoSt)