Momente der Begegnung – eine persönliche Erfahrung im Hospiz:

Frei werden im Inneren

Heute habe sie sich schon wieder gegenüber einem Pfleger gerechtfertigt. Das könne sie überhaupt nicht an sich leiden. – Streng ist sie mit sich, unerbittlich.

Dann der Exkurs in ihre Lebensgeschichte: Erst der Vater, der sie immer ins Unrecht gesetzt habe, um sie dann brutal zu schlagen. Dann der Ehemann, eine Fortsetzung dieser Erfahrung. Und sie habe immer gekämpft, argumentiert, um ihre Position zu halten.
„Was für eine Anstrengung“, denke und sage ich. „Ja, in der Tat, und ich möchte so gerne davon frei werden. Doch ich befürchte, dass die Zeit dafür nicht mehr reicht“, sagt sie. Stille.
Und dann eines ihrer unnachahmlichen Bilder: „Es ist wie ein Strudel im Wasser, wenn man einmal drin ist, kommt man nicht mehr raus.“

Ein starkes Bild ist dies, aus der Vogelperspektive. Also sage ich ihr:„Ist das nicht der erste Schritt zur Freiheit, wenn man wie ein Vogel darüberschwebend und ohne zu beschönigen die Dynamik des eigenen Verhaltens betrachtet?“ Da muss sie lächeln. Und ein Funke Hoffnung glimmt auf.

Luftnot, Schwäche, ein todkranker Körper – all das scheint in den Hintergrund zu rücken bei der Aussicht, Freiheit im Inneren zu finden