Ganz still ist er heute, als ich zu ihm komme. Auf meine Begrüßung hin kaum eine Antwort, obwohl wir uns vor kurzem erst ausgiebig unterhalten hatten. In sich gekehrt schaut er vor sich hin und schweigt.

Was los ist? Das werde ich über eine Frage gewiss nicht erfahren, wortkarg wie er ist. Also setzte ich mich zu ihm, schaue vor mich hin und schweige ebenfalls.

Nach einiger Zeit beginne ich zu summen, wie absichtslos, so, als ob ich ganz alleine wäre. Kann ich ihn dadurch vielleicht doch berühren, ohne zu bedrängen? Einfach, indem ich eine wohltuende Atmosphäre schaffe?

Schließlich kommen die ersten Sätze, bruchstückhaft und abgerungen, reichen direkt in seinen Schmerz: ‚Wenn ich tot bin, wird es dann jemanden geben, der um mich trauern wird?‘

Tiefes Misstrauen erfüllt ihn: ‚Alle wollen nur mein Geld. Auch bei meinem Sohn bin ich mir nicht sicher.‘

Wie er darauf kommt?
‚Mein Sohn wirft mir manches vor.‘
Was genau?
‚Ich hätte zu wenig Zeit mit der Familie verbracht.‘
Und was meine er selbst dazu?
‚Ja‘, nickt er und gibt seinem Sohn Recht. Dann schließt er sofort an: ‚Da kann man nichts mehr ändern.‘

‚Stimmt das wirklich‘, frage ich mich? ‚In der Vergangenheit wohl nicht, aber doch in der Gegenwart’, davon bin ich überzeugt, bringe den Gedanken ein und mache ihn konkreter:
‚Über diese Einsicht mit Ihrem Sohn zu sprechen, ihm zu sagen, dass Sie in der Vergangenheit zu wenig da waren, zu viel gearbeitet haben, das könnte ein erster Schritt der Veränderung sein.‘

Mit großen Augen schaut er mich an. Meine Worte scheinen ihn zu erreichen: Hoffnung glimmt auf.

Diese will ich nähren, ihn in seinen Möglichkeiten, sein Leben jetzt zu gestalten, bestärken.

‚Das ist mutig: Lebensentscheidungen in Frage zu stellen. Sich und anderen etwas einzugestehen‘, sage ich ihm.

Und noch ein zweites sage ich ihm, spreche davon, wie sehr er sich mir gerade öffnet und mir damit Vertrauen schenkt. „Das berührt mich“, diese Worte spüre ich, schenke sie ihm, zusammen mit einem direkten Blick.
Da treten Tränen in seine Augen.

Vielleicht konnte er heute erfahren, wie kostbar es ist, wenn Menschen sich einander öffnen, wie dadurch Verbindung entsteht. Vielleicht konnte eine kleine Tür in seiner jahrelang aufgebauten Mauer des Misstrauens aufgetan werden.

Das ist meine Hoffnung für ihn.