Mit umwölktem Blick empfängt sie mich, die Stirn gerunzelt.
Diesen wortlosen Hinweis bringe ich ins Spiel: „Sie haben gerade eine ganz gerunzelte Stirn.“

Das macht sie neugierig, und sie zieht ihren Handspiegel zurate.
„Eigentlich habe ich heute gar keine Lust zu reden“, antwortet sie, um dann fortzufahren: „Ich fühle mich heute so leer, so lustlos. Und ich bin auch so müde. Ich weiß gar nicht, woher das kommt.“

Sie war bisher immer sehr offen damit, über die Krebserkrankung zu sprechen, die sie ins Hospiz gebracht hat. Dennoch ist sie noch recht fit und selbstständig, was sie manchmal mit den Worten kommentiert: „Vielleicht haben die Ärzte sich ja doch geirrt und ich kann wieder nach Hause.“
Sie kennt diese zwei Seelen in ihrer Brust und ich auch. Beide sind wahr und wichtig. Niemand kann jederzeit sein Sterben vor Augen haben, und Hoffnung ist ein lebenserhaltender Teil der menschlichen Natur, sie zu rauben wäre brutal.

In den vergangenen Tagen haben ihre Einschränkungen jedoch zugenommen, auch die Müdigkeit gehört dazu. Sie spürt das Fortschreiten ihrer Erkrankung, Ärger und Frustration darüber lähmen sie.

Wie kann ich damit umgehen? Wie das finden, was die Lähmung der Gefühle auflöst? Vor allem, wenn sie, wie heute, überhaupt nicht wahrhaben will, dass ihre Müdigkeit mit der Erkrankung zusammenhängt.

Und dann findet sie doch ganz alleine einen Weg, erzählt mir von etwas ganz anderem. Von etwas, was sie vor Jahren furchtbar aufgebracht hatte: einem Mann. Endlich kommt die Gereiztheit, welche in ihrem Gesicht lag, auch in ihrer Stimme an, findet sie Ausdruck und Worte dafür.

Nur zu gerne steige ich ein, weniger auf die Fakten, mehr auf die Emotionen. Schimpfe zuerst an ihrer Stelle, später dann gemeinsam mit ihr, finde Worte und Gesten für die Ungeheuerlichkeit des Elebten.
Und sie wird immer lebendiger, ihre Augen blitzen.
„Da bin ich richtig an die Decke gegangen“, sagt sie mit Nachdruck und ich: „Das hätte ich zu gerne erlebt“. Beide lachen wir.

Als ich mich verabschiede, schaut sie mich an und sagt voller Staunen: „Die Leere ist auf einmal weg.“
Und ich freue mich darüber, dass wir gemeinsam ihre Lebenskraft wiederentdeckt haben.

Die Wut im Zusammenhang mit ihrer Krankheit zu entdecken, war ihr nicht möglich, aber sie als Teil ihrer selbst wiederzufinden, hat ihr ihre Lebendigkeit wiedergegeben.

Über #KommunikationOhneWorte öffnen sich #MomenteDerBegegnung
selbst, wenn die Situation einmal schwierig erscheint.

Wir trainieren Gesundheitsberufe darin, die Körpersprache von Patienten zu verstehen und damit beziehungsorientiert umzugehen.