Wie hat sie gekämpft, um aus einer von Gewalt geprägten Kindheit herauszufinden:
früh weg von der Familie, später das Studium der Mathematik, dann die Professur in den USA.
Eine willensstarke Frau ist sie geworden, eisern und hart mit sich. Erfolg und Wohlstand stellten sich ein.
Kämpfen, das ist ihr vertraut. Und selbst, als sie jetzt schwer krank ist, macht sie weiter damit: sie ringt um ihre Autonomie, organisiert sich alles, was sie dafür braucht, ist auch damit erfolgreich. Aber im Kern fehlt ihr etwas:
Mit einer Schleife aus Argumenten versucht sie, sich und mich ihrer Fähigkeiten zu versichern. Allerdings gelingt es ihr nicht, das Zutrauen in sich zu wecken. Sie kommt nur mehr und mehr in Stress.
Daher überrasche ich sie mit einer Frage, möchte eine andere Ebene ansprechen als die des Verstandes:
‚Was würde wohl eine innere gute Freundin zu Ihrer Situation sagen?‘
Auf einmal wird sie ganz still, lauscht nach innen und sagt dann mit veränderter Stimme, sanft und warm zu sich selbst:
„Du schaffst das, vertraue dir, ich bin bei dir.“
Gleichzeitig macht sie einen tiefen Seufzer und die hochgezogenen Schultern lösen sich.
Was für ein kostbarer Moment!
Ihn möchte ich mit ihr vertiefen, daher rege ich sie an, ihre Körperreaktionen noch einmal zu spüren.
Das ist neu für sie. In diesem Moment kommt sie an: bei sich.
Verstehen beginnt mit dem Körper – wie wahr.
Als sie beim nächsten Wiedersehen automatisch wieder in ihre Schleife fällt, ist es ganz leicht, sie an den Moment des Innehaltens zu erinnern und ihn körperlich wieder zu wecken. So kann ich heute noch einen Schritt weitergehen und lade sie auf eine Entdeckungsreise ein.
Bereitwillig legt sie sich hin, wird still, lauscht meinen Worten und spürt ihrem Körper nach. Am Ende der Reise zu sich landen wir beim steten Wiegen ihres Atems. Und hier summe ich nur noch, begleite die Urbewegung des Lebens mit meiner Stimme: Hören und Spüren verbinden.
Als sie sich aufsetzt, sind ihre Augen feucht: „Kann ich das auch alleine machen?“, fragt sie und eine tiefe Sehnsucht wird spürbar:
Nach Hause kommen – endlich. Spüren, dass tief in ihr etwas da ist, in das sie sich hineinfallen und tragen lassen kann. Vertrauen wiederfinden: zu sich.