Momente der Begegnung – eine persönliche Erfahrung im Hospiz:

Alles hat seinen guten Grund

Sie ist eine Kämpferin, sie will alles an Behandlung, was denkbar ist. Denn sie will leben, so lange es geht. Das stößt durchaus auf Unverständnis, ist sie doch todkrank, verliert kontinuierlich Blut, hat kaum noch Luft. Argumente gehen bei ihr ins Leere. Sie beharrt auf ihren Forderungen nach medizinischer Behandlung.

Dann erzählt sie mir von ihrem Leben: als junges Mädchen obdachlos, Prostitution, dann der Weg da hinaus, einen Beruf erlernt, geheiratet. Immer gekämpft, um nicht unterzugehen.
Und dann kommt ihr auf einmal der Gedanke: „Vielleicht mache ich genau das jetzt weiter: kämpfen, um nicht unterzugehen. Ich kann einfach nicht anders.“

Und jetzt verstehe ich sie und das was sie motiviert: tief verankerte Strategien ihres Lebens, mit denen sie erfolgreich war. Und sie sieht sich selbst nun auf einmal auch viel klarer. Es geht um viel mehr als um die Behandlung. Der Kampf ist Teil ihres Wesens.

Und dann sagt sie etwas Großartiges: „Das ist wie eine Tonfigur in mir. Man kann sie nicht rausschmeißen, nur kleiner machen.“

Welch tiefe Weisheit, aus schmerzlichen Erfahrungen geboren. Äußerlich eine gescheiterte Existenz. Aber in diesem Moment der Mensch in seiner ganzen Schönheit.